Wege, der Armut entgegen zu wirken
04.11.2010
Von: SZ-Mitarbeiterin Margit Hand
OB Roland Henz lud in Steinrausch zur Diskussion ein.
Die Politik müsse reagieren, um Armut, speziell Kinderarmut, vorzubeugen. Bei der vom Saarlouiser Oberbürgermeister Roland Henz initiierten Diskussion gab es nützliche Vorschläge.
In Saarlouis zählen knapp 4000 Menschen zu den wirklich Armen, in Deutschland elf Millionen, darunter ist jeder zehnte ein Kind. Mit diesen Zahlen eröffnete Oberbürgermeister Roland Henz am Donnerstag die Diskussion über "Armut in unserer Gesellschaft" im Haus der Generationen in Saarlouis-Steinrausch. "Eine Verbesserung der Situation erreichen wir nur mit Hilfe von Partnern in einem gut funktionierenden Netzwerk", sagte Henz. Beispiele seien das Saarlouiser Sozialkaufhaus und die Tafel.
Egbert Ulrich, Vorsitzender der Saarländischen Armutskonferenz, bedauerte, wie Politik mit Armut umgehe: "Armut wird wahrgenommen, aber die wirkliche Not, die dahintersteht, wird ausgeblendet", erklärte er. Weil die Politik zu wenig unternehme, seien Sozialkaufhäuser und Tafeln inzwischen unverzichtbar.
Spätere Altersarmut
Er kritisierte die zu niedrigen Löhne im unteren Verdienstsektor und meinte: "Es müssen wirtschaftliche Bedingungen herbei, damit Menschen von ihren Einkommen leben können." Armut im unteren Lohnbereich zu beheben, sei wichtig, damit sie nicht die Ursache für spätere Altersarmut sei. In seinem Plädoyer sprach er sich für Mindestlöhne aus und für klare Maßnahmen auf Landesebene, wie Sozialpässe zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Er beschrieb die ausweglose Situation der wirklich Armen, deren Teilnahme am gesellschaftlichen Leben kaum möglich sei und deren Leben sich vor dem Fernseher abspiele.
Die Wohlfahrtsverbände ermutige er, weiter zu machen und wies darauf hin: "Armut kann nur der begreifen, der sie mit dem Herzen empfindet."
"Wann ist man arm?"
Wie wichtig eine gute Sozialpolitik sei, betonte auch Wolfgang Biehl, Geschäftsführer des Diakonischen Werks an der Saar, dem das Sozialkaufhaus angehört. "Armut, auch Kinderarmut, schränkt die Lebensqualität ein", sagte er und machte das an der Aussage eines neunjährigen Mädchens deutlich. Auf die Frage: "Wann ist man arm?", hatte es geantwortet: "Wenn man nicht genug Kleider hat, wenn man kein Taschengeld hat, wenn man nicht genug zu essen hat, wenn man sich keine neuen Stifte kaufen kann, wenn man bei nichts mitmachen kann, weil man kein Geld hat." Darin, dass diese Menschen Unterstützung brauchen, waren Gerd Thewes vom Caritasverband (Saarlouiser Tafel) und Anette Plewka, Landesvorsitzende des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit, sich einig. Um die Entstehung einer Parallelgesellschaft aufzuhalten, sei es wichtig, allen Kindern Bildung zu ermöglichen, denn "Bildung beugt Armut vor", sagte Biehl. Sozialpädagogische Begleitung müsse in den Familien ansetzen: Eltern einbinden und Kindern zeigen, wie Lebensqualität entsteht.
Umverteilung von Geld
Schwester Claudia aus dem St. Nikolaus Hospital Wallerfangen kennt auch seelische Armut und fragte: "Was kann die Gesellschaft dagegen tun? Warum fängt seelische Armut schon bei einem schlechten Gebiss und schlechter Kleidung an?" Es sei ein Teufelskreis, erinnerte Ulrich: "Krankheit macht arm und Armut macht krank."
Reagieren müsse die Politik durch Umverteilung von Geld und neues Nachdenken über den Arbeitsmarkt. Die Teilnehmer richten in den nächsten Tagen einen schriftlichen Appell an Stadtrat, Kreistag und die Parlamentarier von Land und Bund und plädieren darin für die Schaffung eines Mindestlohns und einer gerechten Vermögens- und Erbschaftssteuer - Wege, der Armut in Deutschland entgegen zu wirken.
Die YoungWeb-Redaktion bedankt sich bei der Saarbrücker Zeitung für die freundliche Zurverfügungstellung der Artikel.
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