In vielfacher Hinsicht ein soziales Kaufhaus
31.10.2013
Von: Sven Mohr
Für immer mehr Menschen in Deutschland wird es schwieriger, sich das Lebensnotwendigste zu kaufen. Viele Familien, aber auch Alleinstehende oder Rentnerinnen und Rentner können sich notwendige Gebrauchsgegenstände nicht mehr leisten. Wie wäre es, wenn es eine Art Kaufhaus gäbe, in dem hilfsbedürftige Menschen mit kleinstem Budget einkaufen gehen könnten? Eine Einrichtung, die Menschen auch als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt dienen kann? Solch ein Kaufhaus gibt es in Saarlouis.
Im Juli 2009 wurde in der Pavillonstraße 45 in Saarlouis ein Kaufhaus der besonderen Art eröffnet, das Sozialkaufhaus - kurz genannt "´s kaufhaus Saarlouis". Der Grundgedanke dieser Einrichtung war es, bedürftigen Bürgerinnen und Bürger in Saarlouis ein qualitativ hochwertiges Angebot zu niedrigen Preisen anzubieten. Zusätzlich sollte Langzeitarbeitslosen längerfristig eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung geboten werden. Mit der Eröffnung des Sozialkaufhauses wurde aktiv ein Beitrag gegen die Armut in Saarlouis geleistet. Bei den Waren, die im Sozialkaufhaus erworben werden können, handelt es sich fast ausschließlich um gebrauchte Gegenstände. Diese werden von Firmen und Privatpersonen gespendet, denn auch in Saarlouis werden gut erhaltene Konsumgüter im Überfluss unbeachtet "entsorgt", welche bedürftigen Bürgern zu Gute kommen könnten.
Alles außer Lebensmittel
Zwischen unterschiedlichsten Bekleidungsstücken, Elektrogeräten, Spielsachen, Schmuck, Fahrrädern, Büchern, Hausratswaren, Möbeln und vielem mehr kann der Kunde wählen. Auf über 800 qm kann jeder, der möchte, die Waren kaufen. Eine kleine Verkaufsfläche ist den bedürftigen Kunden vorbehalten. "Bei uns ist jeder Artikel mit einem Preis versehen, wie in einem richtigen Kaufhaus auch. So kann der Kunde entscheiden, ob er es sich leisten kann oder nicht", erklärte die Leiterin des Sozialkaufhauses Heike Goebel. Bei Vorlage eines gültigen "Nachweises" erhalten bedürftige Personen noch einmal 20 % auf den Rechnungsbetrag. Als bedürftig gelten Menschen, die beispielsweise Arbeitslosengeld II beziehen, 1-Euro-Jobberinnen und -Jobber, Alleinerziehende mit Kindern, Rentnerinnen und Rentner mit kleinem Einkommen, BaföG und Wohngeld Empfängerinnen und Empfänger sowie weitere Menschen, welche in prekäre Lebenssituationen geraten sind. Bei der großen und qualitativ guten Warenauswahl fällt es kaum auf, wenn sich dazwischen ein "neuer" Artikel befindet. Zugekauft wird keine Ware, bei allen Angeboten handelt es sich ausschließlich um reine Sachspenden. Die Spendenbereitschaft in der Saarlouiser Bevölkerung sowie bei den umliegenden Firmen sei groß, so Heike Goebel. Mit den großen Unternehmen wie IKEA, Globus oder auch Möbel Martin werden seit vielen Jahren erfolgreiche Projekte geführt. In Kooperation mit IKEA werden im „Möbelprojekt“ (Bereich Möbelrücknahmen) aus zum Teil zusammengewürfelten Einzelteilen hochwertige Möbelstücke zusammengebaut. Eine weitere Kooperation gibt es mit Möbel Martin aus Ensdorf. Beispielsweise bei dem Erwerb einer neuen Küche wird der Kunde mittels einem Flyer darauf aufmerksam gemacht, seine alte Küche dem Sozialkaufhaus als Sachspende zu übergeben. Somit wird neben dem sozialen Aspekt dem Gedanken des Umweltschutzes Rechnung getragen, denn die Möbel bleiben im Wertstoff-Kreislauf. Bei der Abholung großer Möbelstücke bietet das Team des Sozialkaufhauses im Landkreis Saarlouis einen Abholservice an. Gleiches gilt bei dem Erwerb großer Gegenstände im Kaufhaus. Gegen eine geringe Gebühr wird die gekaufte Ware im Landkreis Saarlouis bis vor die Haustür gebracht. Besonders stolz sind Heike Goebel und ihr Team auf die zusätzlichen Partner, welche viel Vorarbeit leisten. Dazu zählen unter anderem die "Fahrrad-Service-Station", das "Möbelprojekt“ in Kooperation mit IKEA und das Recycling-Projekt in Kooperation mit dem Wertstoffhof Saarlouis. Dank der Hilfe dieser vorarbeitenden Beschäftigungsmaßnahmen kann der Kunde im Sozialkaufhaus qualitativ hochwertig gebrauchte Waren kaufen, auf welche es vereinzelt sogar eine einjährige Garantie gibt. Weggeworfen wird in der Pavillonstraße 45 fast nichts. Sollte ein Artikel schwer zu verkaufen sein, wird so lange an der Preisschraube gedreht, bis er für einen symbolischen Betrag über die Ladentheke geht. So kann beispielsweise ein gut erhaltener Wohnzimmerschrank schon für unter 20 Euro den Besitzer wechseln. Bringt auch dies nichts, kann der Kunde sich am sogenannten „Geschenketisch“ bedienen.
Mehrfacher sozialer Faktor
Nach fast vier Jahren arbeiten auf den 800 qm über 20 Bürgerarbeiterinnen und Arbeiter sowie zwei hauptamtliche Mitarbeiter. Bei der Bürgerarbeit handelt es sich um ein Modellprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Hier soll Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit gegeben werden, sich durch unterschiedliche Arbeitsmaßnahmen fit für den Arbeitsmarkt zu machen. "Einigen der Mitarbeiter konnten wir im Rahmen des Projekts den Weg in den Arbeitsmarkt ebnen. Bei uns können die Mitarbeiter in den verschiedensten Bereichen wie Verkauf, Kundenbetreuung, Logistik oder Montage arbeiten und sich so fit für den Arbeitsmarkt machen", erklärt die Leiterin Heike Goebel. Neben den sozialen Faktoren "Helfen durch günstige Preise", dem Modell der "Bürgerarbeit", gibt es noch einen weiteren wichtigen Faktor - das „Gemeinschaftliche“. Das vor über zwei Jahren entstandene "Café Eck", welches sich mitten in den Räumlichkeiten des Hauses befindet, wurde aus dieser Idee geboren. Hier können die Kunden, welche sich oft mehrere Stunden im Kaufhaus aufhalten, für nur 80 Cent "fair" gehandelten Café trinken. So wurde aus dem Kaufhaus innerhalb der letzten Jahre eine Art „Begegnungsstätte“. Die Nachfrage steigt Dass das Sozialkaufhaus eine sinnvolle Bekämpfung gegen die Armut in Saarlouis ist, belegen auch die Zahlen. Durchschnittlich wurden im letzten Jahr zwischen 5.000 und 6.000 Kunden pro Monat gezählt, davon ca. 3.500 Käufer. In 2012 wurden fast 123.000 Artikel verkauft, davon ca. 43.000 Kleidungsstücke. Laut Heike Goebel könne man anhand der Zahlen der letzten Jahre einen großen Zuwachs vermerken. In diesem Jahr wird sich der steigende Trend weiterführen, da ist sich die Leiterin des Kaufhauses sicher.
Auf Unterstützung angewiesen
Im Gegensatz zu einem "normalen" Kaufhaus erwirtschaftet das Sozialkaufhaus keinen Gewinn und ist auf externe finanzielle Hilfe angewiesen. Träger des Sozialkaufhauses in Saarlouis ist das "DIAKONISCHE WERK AN DER SAAR" (DWSAAR). Das DWSAAR ist eine Gesellschaft der evangelischen Kirchenkreise Saar-Ost und Saar-West und zugleich der evangelische Wohlfahrtsverband an der Saar. Im Saarland unterstützen sie über 100 Einrichtungen, in denen Menschen beratend geholfen wird - vom Kinderhaus bis zur Sozialstation. Des Weiteren wird das Kaufhaus in Saarlouis unterstützt von der Kreisstadt Saarlouis, dem Jobcenter im Landkreis Saarlouis, aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und aus Eigenmitteln der evangelischen Kirche.
Jede Sachspende ist wichtig
Jede zusätzliche Sachspende ist wichtig, egal ob von Privatpersonen oder Firmen. Wer gut erhaltene Gegenstände hat, kann diese vorbeibringen. Besonders in der kalten Jahreszeit werden immer Winterkleider benötigt, so auch in diesem Jahr. Größere Mengen, besonders auch Möbelstücke, können nach Absprache im Landkreis Saarlouis vom Team des Sozialkaufhauses abgeholt werden. Telefonisch zu erreichen ist das Sozialkaufhaus unter der 06831/46993, Fax: 06831/4877878 oder per E-Mail unter skaufhaus-sls@dwsaar.de. Die Öffnungszeiten sind Montag 9 bis 16 Uhr, Dienstag und Donnerstag 9 bis 18 Uhr, Freitag 9 bis 12 Uhr, sowie jeden 1. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr. Zu finden ist das Kaufhaus in der Pavillonstraße 45 in Saarlouis.
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- Nebenamtlicher Redaktionsleiter
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