Die verratene Generation

11.05.2015


Kristina Vaillant las auf Einladung des Frauennetzwerkes Saarlouis in der Buchhandlung Bock& Seip aus ihrem Buch “Die verratene Generation“. Zusammen mit Christina Bylow hat sie ein Buch geschrieben, in dem sie mit den Lebenslügen der Politik abrechnen, die den Frauen der Babyboomer-Jahre Altersarmut bescheren werden.



Freitagabend in der Buchhandlung Bock und Seip. Für das Publikum ist schon zugesperrt, die Türen öffnen sich für interessierte Menschen, die zu der Lesung von Kristina Vaillant kommen.

 

Gespannt nehmen die Zuhörinnen und Zuhörer ihre Plätze ein.

Frau Vaillant beschreibt kurz die Entstehungsgeschichte des Buches und beginnt dann zu lesen. Mucksmäuschenstill ist es an vielen Stellen, kollektives Kopfschütteln und entsetzte Blicke erfolgen an anderen.

 

Kristina Vaillant erzählt: Die Berliner Professorin Barbara Riedmüller hat in ihrer Studie über die Rentenerwartung von Frauen im mittleren Lebensalter herausgefunden, dass mehr als jede dritte Frau ihrer Generation von ihrer Rente nicht leben können, 40 Prozent der Frauen werden höchsten 600 Euro bekommen, obwohl 80 Prozent berufstätig sind. 

 

Der Abstand bei der Rentenerwartung zwischen Frauen und Männern in dieser Generation liegt in den neuen Bundesländern bei 15 Prozent, im Westen liegt er bei 50 Prozent. Und diese Rentenlücke hat sich in 20 Jahren nicht verkleinert, obwohl in unserer Generation die Frauen gut ausgebildet und zu 80 Prozent berufstätig sind. 

 

Unter allen 34 OECD-Ländern – dazu gehört Chile, die Türkei – ist die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen hierzulande am größten. Ein trauriger Rekord für das reiche Deutschland.

 

Die Rente baut konsequent auf einem ununterbrochenen Erwerbsleben auf. Das heißt, wer ohne Lücken und Vollzeit erwerbstätig war, hat eine Rente zu erwarten, von der er leben kann. Aber das ist für Frauen, die Kinder bekommen haben oder Familienpflege leisten, unmöglich.

 

Der deutsche Eckrentner(eine Erfindung der deutschen Rentenversicherung)ist 45 Jahre ununterbrochen, sozialversicherungspflichtig erwerbstätig und verdient ein 

Bruttojahreseinkommen von 32.446 € in den alten Bundesländern. Dafür bekommt er dann, als Bruttorente 1260 € ausgezahlt - die deutsche Standardrente. Mit der Lebensrealität der meisten Frauen hat diese Rechnung wenig zu tun.Bis heute arbeitet von den Frauen zwischen 30 und 40 jede z weite in Teilzeit. In Deutschland bedeutet das meistens, nur 15 bis 20 Stunden arbeiten oder, noch schlimmer, einen Minijob machen(Das Bundesministerium rechnete 2012 vor: ein Minijobber erhält nach 45 Versicherungsjahren eine Rente von knapp über 180 €).

Auch das vielgepriesene Ehegattensplitting begünstigt jene Ehen am großzügigsten, bei denen der Einkommensunterschied am größten ist. Es ist ein Steuergeschenk an Alleinverdiener mit hohem Einkommen von über 75.000 € im Jahr. Die meisten Paare die etwa gleich viel zum Haushaltseinkommen beitragen ziehen allein aufgrund einer Ehe hingegen keinerlei Vorteile aus dem Steuerrecht.

 

In der Pause bei einem kleinen Umtrunk wurde hitzig diskutiert. Viele kamen zu dem Schluss, um das erschreckende und existenzbedrohende Ausmaß gerade für Frauen zu verhindern, müssen dringend Reformen her.

 

Aus all dem in der Lesung Gehörten folgen viele Forderungen an die Politik: eine Mindestrente für jeden, die Abschaffung des Ehegattensplittings, dafür eine Individualbesteuerung, die Abschaffung von Minijobs, die es nur in Deutschland gibt. Jede vierte Stelle ist ein Minijob ohne jede soziale Absicherung. In anderen Ländern gibt es z.B eine Bürgerrente, auch Frauen können damit unabhängig und Existenz sichernd leben und arbeiten. Und letztlich muss auch die Gesellschaft anerkennen, dass Care-Arbeit –die sogenannte Sorgearbeit- keine Privatsache ist. 


 

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