Der Auslauf des Bundesprogramm "Bürgerarbeit" und seine Folgen
18.02.2014
Von: Sven Mohr
Zu Jahresbeginn lief das Bundesprogramm "Bürgerarbeit" aus, welches durch den Bund mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert wurde. Dadurch stehen neben Existenzen vieler Projektteilnehmer/innen auch Angebote sozialer Einrichtungen auf dem Spiel. Dabei gibt es viele Vorteile der "Bürgerarbeit".
"Bürgerarbeit" ist mehr als nur ein neues Wort. Dabei wird versucht erwerbsfähigen Langzeitarbeitslosen durch gemeinnützige Tätigkeiten fit für den "ersten Arbeitsmarkt" zu machen. Bürgerarbeiter/innen werden für die Beschäftigungszeit von maximal drei Jahren sozialversicherungspflichtig angestellt und können nach jeweiliger Vereinbarung bis zu 30 Stunden pro Woche arbeiten. Seit 2010 existiert dieses bundesweite Programm, das von der EU über den „Europäischen Sozialfonds“ (ESF)bezuschusst wird. Dieses Programm wurde zum Anfang diesen Jahres nicht verlängert.
Über 1500 Stellen im Saarland stehen auf dem Spiel
Das Auslaufen der Bundesförderung trifft viele Menschen in ganz Deutschland. Im Saarland sind über 1500 Menschen direkt davon betroffen. Viele soziale Einrichtungen stehen mit vielen Angeboten kurz vor dem Aus. Bürgerarbeiter/innen werden in vielen Einrichtungen und Tätigkeitsbereichen wie Beispielsweise in Zoo´s, dem Begleitdienst in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch bei umfangreichen Arbeiten innerhalb der "Sozialkaufhäuser" eingesetzt. Über 130 Bürgerarbeiter/innen bilden das Rückgrat der saarländischen "Sozialkaufhäuser". Alleine im Saarlouiser Sozialkaufhaus arbeiten über 40 Bürgerarbeiter/innen. Zu Jahresbeginn konnte 12 von ihnen der Vertrag nicht verlängert werden. Somit fallen diese zurück in die Arbeitslosigkeit. Der Wegfall der zusätzlichen Arbeitskräfte hat auch weitere Auswirkungen. Im Saarlouiser Sozialkaufhaus müssen die Öffnungszeiten verkürzt werden, sogar Tagesschließungen sind hier nicht ausgeschlossen.
Eine bezahlte "Wertschätzung"
Trotz einer "Rekordbeschäftigung" und eines "Fachkräftemangels" in Deutschland ist und bleibt der erste Arbeitsmarkt für viele Menschen verwehrt. Dabei werden potentielle Fachkräfte mit Arbeitslosengeld II abgestraft. Ihr fachliches Wissen, Qualifikationen, Erfahrungen und Fertigkeiten können sie somit nicht präsentieren. Durch das Modell der "Bürgerarbeit" wurde ein sogenannter "dritte Arbeitsmarkt" für viele geöffnet. Dieser sollte als eine Art Sprungbrett in den „ersten Arbeitsmarkt“ dienen. Das bedeutet, dass den Betroffenen zeitlich Begrenzt die Möglichkeit gegeben werden sollte, ihre Tätigkeit gemeinnützig einzusetzen - eine bezahlte "Wertschätzung". Nachweislich steigert die "Bürgerarbeit" die Motivation der betroffenen Menschen, sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben. Sie erlernen wieder den Einstieg in das Berufsleben, bewerben sich und sehen neue Perspektiven in ihrem Leben. „Es ist immer besser Arbeit zu finanzieren anstatt Arbeitslosigkeit“, erklärte einmal Henning Reimann - Geschäftsführer der BQOH ( Beschäftigung und Qualifizierung Ostholstein ). "Zudem würden damit oft die Familienverhältnisse stabilisiert – zum Vorteil besonders der Kinder", so Reimann weiter.
Vielfacher Vorteil der "Bürgerarbeit"
Anders als beim Ein-Euro-Job erhalten die Bürgerarbeiter/innen einen Arbeitsvertrag, über den auch Sozialabgaben gezahlt werden. Das Arbeitsverhältnis dauert ein Jahr und kann von Fall zu Fall verlängert werden. In dieser Zeit gehen die Bürgerarbeiter/innen bei einem Bruttoeinkommen von 900 Euro zwar immer noch einer Arbeit mit einem eher geringen Entgelt nach, sind aber trotzdem weitgehend unabhängig von Arbeitslosengeld II. Das bedeutet, dass sie ihre Miete selbst zahlen können. Für die Gesellschaft kommt noch ein entscheidender Vorteil hinzu. Solange die Bürgerarbeit von der "Europäischen Union", und somit auch durch den Bund, gefördert wird sparen sowohl die Gemeinden als auch die Jobcenter. Innerhalb der Gesellschaft ist das Ansehen der "Bürgerarbeit" in den letzten Jahren gestiegen.
Bedarf der "Bürgerarbeit" steigt
Für immer mehr Menschen in Deutschland wird es schwieriger, sich das Lebensnotwendigste zu kaufen. Viele Familien, aber auch Alleinstehende oder Rentnerinnen und Rentner können sich notwendige Gebrauchsgegenstände nicht mehr leisten. Dies beweisen unter anderem die Zahlen des Saarlouiser Sozialkaufhauses, das schon seit 2009 aktiv einen Beitrag zur Bekämpfung der Armut in Saarlouis beiträgt. Durchschnittlich wurden im Jahr 2012 zwischen 5.000 und 6.000 Kunden pro Monat gezählt, davon ca. 3.500 Käufer. 2012 wurden fast 123.000 Artikel verkauft, davon ca. 43.000 Kleidungsstücke. Laut Heike Goebel, Leiterin des Saarlouiser Sozialkaufhauses, könne man anhand der Zahlen der letzten Jahre eine steigende Nachfrage erkennen. Durch den Wegfall der Bürgerarbeiter/innen kann der steigenden Nachfrage nicht mehr im vollen Umfang nachgekommen werden.
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- Nebenamtlicher Redaktionsleiter
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